Ditty

Die Grenzen zwischen Musik und Natur verwischen

17. September 2025

Lesezeit: 4 Minute(n)

Audio mp3: »Ditty«, 6:50 min

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Mit ihrem aktuellen Album Kālī beweist die indische Künstlerin Aditi Veena alias Ditty, warum sie zu den spannendsten neuen Stimmen des Indiefolk zählt. Es ist vor allem ihre Authentizität, die sie deutlich von anderen Songwriterinnen und Sängerinnen abhebt. Mit ihrer hochkarätigen Band, darunter Andi Haberl von The Notwist, setzt sie zielstrebig ihre von zwei Welten geprägten Soundvorstellungen um. Daher erscheint es nur konsequent, dass einige Stücke in Hindi geschrieben sind. Doch unabhängig von der Sprache bleibt Dittys Botschaft dieselbe. Es geht um Verbundenheit, Achtsamkeit und Emotion. Im Interview blicken wir auf eine Frau mit großen Plänen und dem richtigen Sound dazu.

Text: Frank Keil; Aufmacherfoto: Luka Alagiyawanna

Du hast den Künstlernamen Ditty gewählt. Ist das ein Spitzname oder nur eine Kurzversion deines Vornamens Aditi?

Unter „ditty“ versteht man auch ein kurzes, einfaches Lied. Meine Freundinnen und Freunde nannten mich immer Ditty. Als ich die Bedeutung erfuhr, beschloss ich, dass dies mein Künstlername sein würde.

Du bist in Indien geboren und aufgewachsen. Welche Kulturschaffenden haben dich inspiriert?

Eine große Bandbreite: indische Klassik, indischer Folk, westlicher Pop und Indiemusik. Ich habe es geliebt, Songwritern und Songwriterinnen zuzuhören. Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich ein junges Mädchen in meiner Highschool hörte – sie war drei Jahre älter als ich und sang in einer Morgenversammlung einen Carpenters-Song. Das hat mich so bewegt und berührt, dass ich mich der Musik zuwandte und zu singen begann.

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Hast du eine solide musikalische Ausbildung absolviert?

Ich bin keine formell ausgebildete Musikerin. Ich habe als Kind in mehreren Chören gesungen, was die Grundlage für meine Gehörbildung legte. Vor etwa fünfzehn Jahren begann ich, Lieder zu schreiben und brachte mir das Gitarrespielen bei. In Indien ist es nicht so einfach, von der Kunst zu leben. Es gibt keine KSK, GEMA, keine Institutionen wie die Initiative Musik oder das Musicboard. Ich bin von Beruf her eigentlich Architektin und habe dann Stadtökologie studiert, das war auch etwas, was ich sehr geliebt habe. Meine Erfahrungen in der Praxis, mit Wäldern, Flüssen, ökologischer Wiederherstellung, indigenen Gemeinschaften und Bauern haben mich dazu gebracht, in meinen Songs Geschichten über den globalen Süden zu erzählen.

Wann und warum bist du nach Berlin gezogen?

Ich bin seit 2016 in Deutschland als Musikerin tätig, aber immer ein- und ausgereist. Im Jahr 2022 bin ich nach Berlin gezogen, um näher bei meinem Partner zu sein.

Dein Debütalbum Poetry Ceylon ist 2019 erschienen, gefolgt von der EP Skins 2024. Wie würdest du deine künstlerische Entwicklung bis heute beschreiben?

Dem Debüt folgte im Jahr 2021 Rain Is Coming, eine Veröffentlichung mit meinem interkontinentalen Experimentalkollektiv Faraway Friends bei der sozialen Labelstruktur Viva Con Agua Music. Das Album ist von Wasserschutzbewegungen in Nordindien inspiriert, die von Frauen geführt werden. 2024 habe ich die erste Hälfte von Kālī als Skin veröffentlicht, und dann haben wir beschlossen, daraus ein ganzes Album zu machen. Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt. Kālī ist ein künstlerisches Statement für mich und eine Vokalisierung dessen, wo ich heute stehe. Es ist eine Abrechnung mit meinen angestammten Wurzeln und umfasst einen Horizont irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft.

„Ich schöpfe aus meinen Erfahrungen mit Rassismus, schreibe über die Klimakatastrophen unserer Zeit und singe zum Lob der Natur.“

Foto: Menty Jamir

Bezieht sich der Titel auf die Hindu-Göttin Kālī, und gibt es eine Art „roten Faden“ zwischen den zehn Titeln von „Kālī“ bis „Home In My Skin“?

Der Titel des Albums stammt aus meiner Muttersprache Hindi. In Hindi bedeutet Kālī unter anderem „Dunkelheit“, „schwarze Frau“ und bezieht sich auf die Göttin Kālī, die in der Hinduphilosophie die Dämonen tötet. Ich schöpfe aus meinen Erfahrungen mit Rassismus und Kolorismus, schreibe über die Klimakatastrophen unserer Zeit, singe zum Lob der Natur und arbeite auf diesem Album mit Aufnahmen im Freien. Es ist ein Versuch, die heutige Zeit zu kommentieren und die Menschen zum Nachdenken, zum Widerstand, zur Verlangsamung, zur Verurteilung von Gewalt, Krieg und Unterdrückung anzuregen. Es ist ein Geschenk, ein Angebot, eine Einladung, die Schönheit und Widerstandsfähigkeit der natürlichen Welt zu schätzen.

Hast du einen oder sogar mehrere Lieblingssongs auf dem Album?

Ich habe keinen Lieblingssong, aber diese Lieder bedeuten mir sehr viel: „Azadi“, weil es ist mein erster Song in Hindi war, „Money“ wegen des Outros mit Samples aus dem Wald in Goa, „Skin“ wegen des wunderschönen Videos, „Mamma“, weil es besonders live sehr berührt, und „Kālī“, weil ich schon lange über Rassismus und Kolorismus sprechen wollte.

Wie wichtig sind die am Album und an den Videos beteiligten Personen?

Ich habe das große Glück, mit wunderbaren, langjährigen Kollegen und Kolleginnen zusammenzuarbeiten. Mein Sound ist mit ihnen gewachsen. Auf der Platte ist neben Andi als Schlagzeuger auch Bowls zu hören, bekannt für seine Arbeit mit der kürzlich aufgelösten indischen Indieband Peter Cat Recording Company. Einige der Songs wie „Azadi“ und „Money“ wurden unter freiem Himmel aufgenommen.

Das Album ist eine skurrile Mischung aus Livemusik und Poesie und verwischt die Grenzen zwischen Musik und Natur, während es meine persönliche Transformation künstlerisch archiviert. Kālī ist ein audiovisuelles Album, bei dem ich mit Musikschaffenden, Bewegungskünstlerinnen, Filmemachern, visuellen Kunstschaffenden, Fotografen und Tontechnikprofis arbeiten durfte. Das Video zu „Hold Me“, bei dem Shrutiman Deori Regie führte, ist ein kinematografisches Vergnügen und wurde für den TIMD-Preis für das beste Musikvideo nominiert. Das von Venus Maku gedrehte Video zu „Mamma“ wird auf MTV Alternative Nation und MTV UK ausgestrahlt.

Wie wird es nach dem Festivalsommer mit Ditty weitergehen?

Ich werde Mutter! Während meiner Schwangerschaft habe ich dreißig Konzerte gegeben und war froh, danach kürzertreten zu können. Ich denke, die nächste Platte wird von meinen neuen Erfahrungen mit dem Baby inspiriert sein. Ansonsten liebe ich es, draußen zu sein, zu schwimmen, Gärten und Seen in und um Berlin zu besuchen.

www.ditty.co.in

Aktuelles Album:

Kālī (Clouds Hill, 2025)

Aufmacherbild:

Foto: Luka Alagiyawanna

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